Orientierungspunkte im Leben

Orientierungspunkte im Leben

von | Jan 18, 2019

Woran orientierst du dich in deinem Leben? Unsere Welt ist ja inzwischen so vielfältig und komplex geworden, dass es wirklich schwierig geworden ist, Halt und Orientierung zu finden.

Aber mal ehrlich – bei aller Komplexität gibt es doch schon noch ein paar allgemeingültige Werte, die man einzuhalten hat, oder?! Zu anderen nett und freundlich zu sein. Leistungsfähig zu sein. Seine Arbeit gründlich und möglichst perfekt zu machen. Und vielleicht noch attraktiv auszusehen.

Oder etwa nicht?

Solange ich diese Vorgaben zu 100% einhalte, mag ja noch alles gut sein. Aber was ist, wenn es meine Kommilitonin schafft, immer nett und freundlich zu sein? Ganz im Gegensatz zu mir, die ich immer mal einen schlechten Tag habe… Was ist, wenn mein Kollege auf Arbeit leistungsfähiger ist und seine Aufgaben gründlicher erledigt als ich? Was ist, wenn die Ex-Freundin meines Partners attraktiver ist als ich, sodass ich Angst haben muss, dass er doch zu ihr zurück will?

Dann kommt irgendwie alles ins Wanken. Es scheint also doch nicht so einfach zu sein, sich an irgendwelchen Vorgaben zu orientieren. Und durch Vergleiche lässt sich nicht so leicht Zufriedenheit erreichen, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint.

Orientierung über das Außen

Lass uns mal auseinander nehmen, was bei den oben beschriebenen Situationen passiert.

Wenn ich mich mit anderen vergleiche oder mich an Vorgaben über das Richtig und Falsch festhalte, dann suche ich Orientierung über das Außen. Das heißt, in meinem Kopf habe ich ein Muster, wie eine bestimmte Sache richtig zu sein hat. Und an diesem orientiere ich mich dann. Wenn ich viel leiste, dann bin ich gut und richtig. Und je mehr ich leiste, desto besser. Das gleiche Spiel beim Thema Freundlichkeit oder Attraktivität.

Doch was ist, wenn ich nicht diesem festgelegten Muster entspreche? Was ist, wenn ich eine Reihe schlechter Tage hintereinander habe und gerade mal nichts geht? Was ist, wenn ich nicht das Maß an Perfektion erreiche, was ich mir gerne wünsche? Oder wenn ich nicht dem Schönheitsideal entspreche?

Das Problem dabei ist nicht, dass ich irgendwie falsch bin, sondern der Denkfehler liegt meiner Meinung nach in dem Raster, das ich in meinem Kopf habe und dem ich zu entsprechen versuche. Denn wer legt denn letztendlich fest, wie ich zu sein habe und wie nicht? Geht es nicht vielmehr darum, dass ich die starren Muster in meinem Kopf loslasse und mich so annehme, wie ich bin? Bedingungslos. In jeder Situation. Auch wenn ich mal mürrisch oder müde bin, wenn ich Fehler mache oder wenn ich nicht irgendeinem Ideal entspreche? Ich glaube schon!

Orientierung über das Innen

Doch so logisch das erstmal klingen mag – so einfach ist das nicht. Denn die Muster und Raster, die ich in meinem Kopf habe, erfüllen eine wichtige Funktion: Sie geben Halt und Orientierung. Und diese Orientierung braucht ein Mensch, um eben nicht vollkommen haltlos durch das Leben zu taumeln.

Neben diesem großen Vorteil haben sie aber auch einen großen Nachteil: Sie machen abhängig und schränken mich in meiner Freiheit ein. Das heißt, ich muss auf eine bestimmte Art und Weise sein, um richtig zu sein. Wenn ich den Erwartungen entspreche, dann ist alles gut. Wenn ich besser sein will oder eben nicht dem Ideal entspreche, dann wird es schon schwierig.

Doch diese Muster und Raster lassen sich nicht einfach mal so „wegmachen“, denn dann würde ja der Halt fehlen. Es braucht also einen neuen Orientierungspunkt, um den alten überflüssig zu machen. Einen Punkt, bei dem ich mich nicht von äußeren Vorgaben abhängig mache. Und dieser Punkt liegt in mir drin. Wenn ich anfange, mich in mir zu verwurzeln und mich in jeder Situation so anzunehmen, wie ich gerade bin, dann kann ich mich selber halten. Dann bin ich nicht mehr darauf angewiesen, über das Außen Orientierung zu finden, eben weil ich bei mir angekommen und ich mich in mir verwurzelt habe.

Konkret heißt das:

Ich nehme mich an, wenn ich gut gelaunt und nett bin. Aber ich bin auch in Ordnung, wenn ich mürrisch und grummlig bin.

Es ist gut, wenn ich gerade viel leisten kann und meine Aufgaben gründlich erledige. Genauso ist es okay, wenn ich irgendwie schaumgebremst durch den Tag stolpere, mir nichts so recht gelingen will und ich Fehler mache.

Es ist prima, wenn ich mich gerade hübsch finde. Und ich bin genauso liebenswert, wenn ich dunkle Augenringe habe, mir über Nacht ein Pickel gewachsen ist oder ich eben nicht dem Idealgewicht entspreche.

Merkst du, was da passiert? Wenn du anfängst, dich auch dann anzunehmen, wenn du nicht den Rastern entsprichst, dann darf einfach alles sein. Du bist nicht mehr auf die Bestätigung von außen oder auf Vergleiche angewiesen, weil du wieder ein stückweit mehr bei dir angekommen bist und in dir drin Halt gefunden hast. Und gleichzeitig entstehen Wahlmöglichkeiten. Heute habe ich die Freiheit so zu sein, aber ich habe auch die Freiheit genau entgegengesetzt zu sein.

Es ist die Sache mit den Wurzeln und den Flügeln. Je mehr ich selber geerdet bin und Halt habe, desto weiter kann ich meine Flügel ausbreiten und den Duft der Freiheit schnuppern. Dann brauche ich nicht mehr irgendwelche Raster, die mir zwar Halt geben, die mich aber auch einschränken und mir die Freiheit rauben. Denn dann habe ich in mir den Halt und gleichzeitig die Freiheit, anders sein zu dürfen, gefunden – eben so, wie es mir heute entspricht.

Es lohnt sich also, den Blick vom Außen hin zum Innen zu lenken und dadurch zu immer stärkeren Wurzeln und gleichzeitig immer kräftigeren Flügeln zu finden.

Ich wünsche dir viel Spaß auf deiner Reise zu deinen inneren Orientierungspunkten und gleichzeitig in die Freiheit.

Sei lieb gegrüßt.

© Dorothea

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