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Essstörungen

Symptome von Essstörungen

Klassifikation von Essstörungen

Essstörungen beginnen häufig ganz schleichend mit einer Diät, die nach und nach aus dem Ruder läuft. Der Übergang von den Experimentierversuchen mit dem eigenen Essverhalten hin zu einer Essstörung ist also fließend.

Laut den Diagnosewerken ICD-11 (International Classification of Diseases) und DSM-V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) werden drei Formen von Essstörungen unterschieden:

  • Magersucht oder Anorexia nervosa
  • Ess-Brech-Sucht oder Bulimia nervosa
  • Esssucht oder Binge Eating

Hier findest du eine Übersicht über typische Anzeichen für diese drei Formen von Essstörungen, wobei nicht alle Symptome auftreten müssen.

Magersucht oder Anorexia nervosa heißt…

  • … sich ständig mit dem Essen auseinander zu setzen
  • … eine lange Liste verbotener Nahrungsmittel zu haben
  • … jegliche Kalorientabellen auswendig zu kennen
  • … immer weiter abnehmen zu wollen
  • … untergewichtig zu sein
  • … mit Abführmitteln und Sport der Gewichtszunahme entgegen zu wirken
  • … die Waage als Stimmungsbarometer zu haben
  • … oft zu frieren
  • … unkonzentriert zu sein
  • … schnell müde und erschöpft zu sein
  • … einen schwachen Puls zu haben
  • … perfekt sein zu wollen
  • … Adrenalin non-stop
  • … die Menstruation bleibt aus

Ess-Brech-Sucht oder Bulimia nervosa heißt…

  • … sich ständig mit dem Essen auseinander zu setzen
  • … kontrolliertes Essverhalten in der Öffentlichkeit
  • … regelmäßige, heimliche Essanfälle mit anschließendem Erbrechen
  • … Kontrollverlust während der Essanfälle
  • … kalorienreiche und leicht essbare Nahrungsmittel hinunter zu schlingen
  • … Abführmittel und abführende Lebensmittel zu sich zu nehmen
  • … eine Liste verbotener Nahrungsmittel für die Mahlzeiten außerhalb der Essanfälle zu haben
  • … die Waage als Stimmungsbarometer zu haben
  • … Schwindelgefühle und Herzrasen
  • … sich vor sich selbst zu ekeln
  • … selbstverletzendes Verhalten

Esssucht oder Binge Eating heißt…

  • … sich ständig mit dem Essen auseinander zu setzen
  • … Essen ohne Hungergefühl
  • … emotionales Essen
  • … häufige Heißhungeranfälle
  • … kein regelmäßiges Essen
  • … unter Übergewicht zu leiden
  • … keine gewichtsreduzierenden Maßnahmen vorzunehmen
  • … bewegungsarmen Freizeitaktivitäten wie Fernsehen oder Computer nachzugehen
  • … Gefühle runter zu schlucken
  • … Schuld- und Schamgefühle
  • … Hass auf den eigenen Körper zu entwickeln

Wichtig zu wissen!

Es gibt aber noch weitere Formen von Essstörungen, wie zum Beispiel die Orthorexie. Bei dieser Form der Essstörung entwickeln Betroffene ein derart gesundes Essverhalten, dass es belastende Züge annimmt. Auch häufig kreisende Gedanken rund um das eigene Essverhalten und die Figur oder ständig schwankendes Gewicht können Anzeichen für eine Essstörung sein.

Wenn du dich fragst, ob du ein problematisches Essverhalten hast, ist es weniger wichtig, ob du die Kriterien für eine Essstörung erfüllst. Entscheidend ist in erster Linie, ob du dich mit deinem Essverhalten unwohl fühlst und ob dich das Thema belastet. Wenn es dir mit deinem Essverhalten nicht gut geht, lohnt es sich, genauer hinzuschauen und du hast in jedem Fall Anspruch auf Hilfe.

Ursachen von Essstörungen

Du bist nicht schuld!

Die Ursachen von Essstörungen sind hochkomplex, sodass du an dieser Stelle eine erste Übersicht bekommen sollst.

Was ganz, ganz wichtig ist: Du bist nicht schuld daran, dass du eine Essstörung hast. Es gibt eine ganze Reihe an Faktoren, die dazu geführt haben, dass du eine Magersucht, eine Bulimie, eine Esssucht oder eine andere Form von Essstörungen entwickelt hast. Es geht also nicht um eine Schuldzuweisung, sondern um ein Verstehen von Zusammenhängen.

 Biografische Einflüsse

Frauen, die mit einer Essstörung kämpfen, haben in der Regel als Kind Erfahrungen gemacht, die zu viel für sie waren.

Das kann zum Beispiel Folgendes gewesen sein:

  • Ihre Bezugspersonen haben ihnen als Baby nicht das an Nähe, Wärme und Zuneigung gegeben, was sie gebraucht hätten.
  • Die Erwachsenen haben sie nicht dabei unterstützt, einen gesunden Umgang mit ihren Gefühlen zu entwickeln.
  • Ihre Vorbilder haben ihnen unterschwellig vermittelt, dass sie nicht in Ordnung seien, so wie sie sind.
  • Ein oder beide Elternteile haben sie stark kontrolliert oder manipuliert.
  • Früh mussten sie schon Verantwortung übernehmen und durften nicht so recht Kind sein.
  • Ihre Eltern haben sie in eine Elternrolle gedrängt und sie mussten für sie da sein, weil diese nicht klar gekommen sind mit sich und der Welt.
  • Sie haben emotionalen oder sexuellen Missbrauch erlebt.

Deine Eltern haben natürlich das Beste, was ihnen möglich war, für dich gegeben. Doch wenn du solche oder ähnliche Erfahrungen machen musstest, dann hat das natürlich etwas mit dir gemacht. All die Erlebnisse, die du nicht verarbeiten konntest, weil sie zu viel für deine kleine Kinderseele waren, wurden in deinem Körper gespeichert und rumoren dort kräftig.

Und nun brauchst du deine Essstörung zur Kompensation. Sie hilft dir, nicht allzu viel von dem zu spüren, was du erleben musstest.

Familiäre Einflüsse

Familien, in denen ein Familienmitglied eine Essstörung entwickelt, weisen bestimmte Merkmale auf:

  • Alle kümmern sich scheinbar um alle anderen, niemand kümmert sich um sich.
  • Die Familienmitglieder formulieren ihre Bedürfnisse nicht offen, sondern die Kommunikation läuft verdeckt. („Du willst doch heute Abend bestimmt ins Kino gehen.“ statt „Ich hätte Lust, heute Abend mit dir ins Kino zu gehen. Kommst du mit?“)
  • Sie achten nicht die Grenzen des anderen, sondern überschreiten diese immer wieder.
  • Es gibt keine klare Trennung zwischen dem Ich und dem Du, sondern nur ein verwaschenes Wir.

Wenn du in so eine Familie reingeboren wurdest, dann hast du diese Muster automatisch übernommen. Woher hättest du wissen sollen, dass es auch anders geht?

Und nun brauchst du deine Essstörung, denn über das (Nicht-)Essen gibst du dir die Liebe, die du auf anderem Wege nicht erhalten hast. Du drückst über deine Körpersprache aus, was sich nicht in Worte fassen lässt. Und eine Essstörung ist auch eine Möglichkeit, um Kante zu zeigen (bei Magersucht), sich hinter einer perfekten Fassade zu verstecken und dadurch unnahbar zu sein (bei Bulimie) oder sich eine dicke Haut zuzulegen (bei Binge Eating). Sie ist also eine Möglichkeit, um sich abzugrenzen.

Generationale Einflüsse

All die Erfahrungen, die deine Vorfahren gesammelt haben und die sie nicht verarbeiten konnten, haben sie an dich weiter gegeben. Das kann zum Beispiel dieses Erlebnis sein:

Nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland kalte Winter und schlimme Hungerjahre. Die Menschen wussten oftmals nicht, ob sie die kommenden Wochen überleben werden und das hat natürlich geprägt.

Als es dann endlich wieder zu essen gab, haben viele Menschen dieser Zeit ein Verhalten entwickelt, das für die Kriegsgeneration sehr typisch ist. „Iss doch, mein Kind!“, „Es ist genug da!“ und „Du brauchst nicht zu hungern!“, sind ganz klassische Sätze. Sie haben ihre Kinder und Enkel in gewisser Weise zum Essen gedrängt, weil ihnen ihre eigene Hungererfahrung noch so tief in den Knochen saß.

Ist es da ein Wunder, dass du dir eine Essstörung zugelegt hast? Du hattest ja gar keine Chance, ein gesundes Essverhalten zu entwickeln.

Einflüsse aus dem Umfeld

Wie die Menschen um dich herum leben und in welchen Kontexten du dich befindest, macht natürlich auch etwas mit dir:

  • Studierst du an einer Uni, in der das leistungsorientierte Denken im Vordergrund steht und wo alle erwarten, dass du mit Bestnoten abschließt?
  • Gehst du auf eine Arbeitsstelle, wo höchster Einsatz von dir gefordert wird, ohne dass sich jemand dafür interessiert, wie es dir damit geht?
  • Bist du in einem Sportverein, in dem Gewinnen und Konkurrenzdenken ganz groß geschrieben werden?
  • Engagierst du dich ehrenamtlich an einem Ort, wo es darum geht, immer alle Aufgaben zu verteilen, ohne dass jemand fragt, ob du überhaupt Ressourcen hast?
  • Hast du Leute um dich herum, die Familie, Kinder, Job und Ehrenamt perfekt unter einen Hut bringen?

Wenn du in so einem Umfeld lebst, dann übernimmst natürlich auch du Werte wie Perfektionismus, Leistungs- und Konkurrenzdenken und gehst über deine eigenen Grenzen hinaus. Dir fehlen ja die Vorbilder, die liebevoll und achtsam mit sich selbst und den eigenen Ressourcen umgehen.

Gesellschaftliche Einflüsse

Auch Medien, Stars & Sternchen und die Bilder, die dir tagtäglich vermittelt werden, prägen ungemein.

Du brauchst nur eine Zeitschrift aufschlagen oder auf Werbeplakate schauen und schon lächeln dich überall scheinbar glückliche Menschen mit perfekt retuschierten Körpern an. Das dadurch transportierte Schönheitsideal setzt sich dann in deinem Kopf fest und du wirst denken: „Wenn ich schlank bin, dann bin ich glücklich.“ Und deine Essstörung feuert diese Utopie nur noch an.

Dabei wäre es viel schöner, vermittelt zu bekommen, dass es dir gut gehen wird, wenn du liebevoll mit dir und deinem Körper umgehst.

Bewältigung von Essstörungen

Arbeit an den Ursachen

Jede Form der Essstörung hat ihre Besonderheiten und stellt andere Herausforderungen an die Betroffene.

Während bei einer Magersucht eine Gewichtszunahme erforderlich ist, um gesund zu werden, sind bei Binge Eating weniger Kilo das Ziel. Und bei einer Bulimie gilt es, von den Ess-Brech-Anfällen wegzukommen. Es scheint also, als ob jede Form ein eigenes Modell zur Bewältigung der Probleme braucht.

Doch es scheint nur so, denn um eine Essstörung zu bewältigen, gilt es, hinter das Symptom, also das Hungern, des Überessen oder das Essen-und-Erbrechen, zu schauen. Und eben auf dieser tieferen Ebene anzusetzen.

Ein metaphorischer Vergleich

Die Funktionsweise von Essstörungen lässt sich anhand eines Vergleichs gut verstehen:

Stell dir vor, du bist mit deinem Auto unterwegs. Plötzlich leuchtet ein kleines Kontrolllämpchen warnend rot auf. Du machst dich auf den Weg in die Werkstatt, um das Problem beheben zu lassen.

Am nächsten Tag bekommst du dein Auto zurück und der Werkstattmitarbeiter erklärt dir, sie hätten die Kontrolllampe ausgewechselt, sodass sie nicht mehr leuchtet.

Erleichtert fährst du weiter. Doch es dauert nicht lange, bis dein Auto eigenartige Geräusche von sich gibt. Wieder begibst du dich auf den Weg in die Werkstatt, um nachsehen zu lassen, was los ist.

Ein paar Tage später kannst du dein Auto wieder abholen. Diesmal erfährst du, sie hätten die Motorhaube fester fixiert, damit sie nicht mehr so scheppert. Vielleicht wunderst du dich schon etwas, bist aber gleichzeitig auch froh, dass du dein Auto zurück hast.

Doch es dauert nicht lange, bis es vollends zum Stehen kommt und aus dem Motorraum nur noch dunkler Rauch aufsteigt.

Wo lag also der Fehler? Die Monteure haben sich lediglich um die Symptome, also die kaputte Lampe und die klappernde Motorhaube gekümmert. Effektiver wäre es gewesen, sie hätten sich gleich der Ursache, nämlich dem kaputten Motor, gewidmet. Denn auch wenn die Lampe nicht mehr geleuchtet und die Motorhaube nicht mehr geklappert hat, war die Ursache noch da. Und der defekte Motor hat immer neue und immer deutlichere Wege gefunden, um sich bemerkbar zu machen.

Bedeutung für deine Essstörung

Die Geschichte mag ein wenig skurril klingen und vielleicht hast du über die Herangehensweise der Werkstattmitarbeiter etwas geschmunzelt.

Sie macht aber sehr gut deutlich, wie eine Essstörung funktioniert: Magersucht, Bulimie und Binge Eating sind lediglich die Symptome, also das defekte Lämpchen, die scheppernde Motorhaube oder der aufsteigende Rauch. Eine Arbeit mit Essensplänen kann die Bewältigung einer Essstörung unterstützen, doch es gilt in jedem Fall, auch tiefer zu schauen.

Agierst du nur auf der Symptomebene, gelingt vielleicht die gewünschte Gewichtsveränderung. Doch die dahinterstehende Ursache, also der kaputte Motor, wird sich eine neue Ausdrucksform suchen, um zu signalisieren, dass sie noch da ist. Du würdest zum Beispiel von einer Magersucht in eine Bulimie rutschen. Oder auch eine Symptomverschiebung von beispielsweise einer Esssucht hin zu einer Depression ist möglich. Das eigentliche Problem liegt auf einer anderen, tieferen Ebene und lässt sich auch nur dort nachhaltig beheben.

Wenn du deine Essstörung überwinden willst, ist es deshalb erforderlich, dass du nicht auf der Symptomebene stecken bleibst, sondern dass du dir die dahinter stehenden Ursachen anschaust. Denn die Essstörung möchte dich dazu einladen, zu verstehen, dass in deinem Leben einiges nicht mehr so funktioniert, wie es funktionieren könnte. Und erst, wenn du an diesen ganz basalen Stellen etwas veränderst und somit die Ursachen beseitigst, wird auch das Symptom verschwinden.

Bitte beachte allerdings, dass bei starkem oder gar lebensbedrohlichem Untergewicht sowie bei häufigen und heftigen Ess-(Brech-)Anfällen in jedem Fall auch eine Arbeit am Essverhalten notwendig ist, um gesundheitlichen Schäden entgegen zu wirken. Solltest du dir unsicher sein, ob dies auf dich zutriffst, so wende dich bitte schnellstmöglich an deinen Hausarzt oder einen Therapeuten.

Hilfe bei Essstörungen

Formen der Hilfe

Das Versorgungssystem für Menschen mit Essstörungen ist inzwischen sehr komplex. Hier bekommst du eine kleine Übersicht über die wichtigsten Formen der Hilfe.

Ambulante Therapien

Im Bereich der ambulanten Therapien kannst du wählen zwischen der Verhaltenstherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie sowie der analytischen Psychotherapie. Diese Therapieformen sind von den Krankenkassen anerkannt und die Kosten werden übernommen.

Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass ein problematisches Verhalten erlernt ist und somit wieder verlernt werden kann. Sie arbeitet also daran, Verhaltensmuster zu verstehen und diese zu verändern.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie setzt an den in frühster Kindheit liegenden Ursachen an und verweist auf die verborgene Tiefe des Unterbewusstsein. Durch die Arbeit auf diesen Ebenen wird Veränderung im Hier und Jetzt erzielt.

Die analytische Pschyotherapie behandelt vor allem die zugrunde liegende Struktur des Patienten und zielt auf die Bearbeitung eines aktuellen Konflikts ab.

Teilstationäre und stationäre Therapien

Teilstationäre Therapien finden in Tageskliniken statt, sodass die Patientinnen tagsüber in Behandlung sind und abends wieder nach Hause gehen.

Für die stationären Therapien erfolgt die Aufnahme in eine Klinik, in der die Patientinnen rund um die Uhr betreut werden.

Neben einer psychologischen Begleitung, Gruppenangeboten und der Arbeit am Essverhalten ergänzen inzwischen auch komplementärmedizinische Ansätze wie Mal- und Bewegungstherapien, Kreativtherapien, Körpertherapien sowie systemische Therapien das Angebot der Kliniken.

Auch diese Kosten werden in der Regel vom Kostenträger übernommen.

Ergänzende Angebote

Weiterhin gibt es ergänzende Angebote wie zum Beispiel Wohngruppen, eine psychosoziale Begleitung, alternative Behandlungsangebote oder Möglichkeiten der Hilfe zur Selbsthilfe. Diese können die Zeit bis zum Beginn einer Therapie überbrücken, Betroffene können sich nach einem Klinikaufenthalt stabilisieren und sie erhalten Unterstützung in ihrem Alltag.

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Hinweis: essmo: Wege aus der Essstörung ist ein psychosoziales Angebot und du bekommst Hilfe zur Selbsthilfe. Die Inhalte und Angebote dieser Seite ersetzen nicht den Besuch bei einem Arzt, Therapeuten oder Heilpraktiker.

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